1975 Neuartige Schlafanzüge

 Oben ohne erlaubt

 Schönes für die Frau

 Calida-WG`s und Familienbruch

 Sind unsere Männer noch Männer ?

 Das Handwerk der Werber
 Gesundes für die Kinder

 
Die Werbeabteilung von Calida betreibt in den 70er Jahren sehr grossen Aufwand zur Pflege einer möglichst persönlichen Kundenbindung. Neben dem konsequenten Einsatz der Farbe Gelb gehören auch Rücknahme-Garantien und Aktionen wie das Versenden von handschriftlichen Glückswunschkarten an die internationale Kundschaft zur leicht erkennbaren "Corporate Identity" des Hauses. Lange bevor das Konzept, das unter diesem Namen zwanzig Jahre später die gesamte Wirtschaft durchdringen wird, überhaupt existiert. "Wenn die Leute bemerken, dass die Botschaft auch wirklich so gemeint ist, kann sie auch etwas holprig daherkommen. Sie wird aufgenommen," umschreibt Bächler eine seiner Grundüberzeugungen." Unser grosser Vorteil als in die Firma integrierte Werbeabteilung ist ja gerade die grosse Identifikation mit Calida. Wir sind ein Teil davon."

Für die qualit„tsbewusste und fantasiebegabte Hausfrau

Jede neue Kollektion wird in eine Geschichte verpackt. Während sich die primären Verkauftsargumente immer gleich bleiben - natürliche Materialien, Bequemlichkeit, solides Preis / Leistungsverhältnis und lange Lebensdauer - bringen die verschiedenen Konzepte reichlich Abwechslung. Dabei stellt Bächler zum Teil ziemlich hohe Ansprüche an Phantasie und Vorstellungskraft der Kundin. Zum Beispiel beim vier Seiten langen handschriftlichen Brief, in dem sich ein besorgtes Kinderpyjama an die Mütter wendet, um sie vor den gesundheitlichen Gefahren herkömmlicher Pyjamas zu warnen und die eigenen Vorzüge zu preisen.

Farbe als erstes Modeargument

Wie bei der Realisierung von einzelnen Prospekten zum Teil gebastelt wurde, erzählt Otto Bächler anhand des ersten Prospektes für farbige Herrenunterwäsche von 1969 oder 70. Mit dem Slogan "Farbige Unterw„sche ist männlicher" enthält er, zu einer Zeit, als Männerunterwäsche noch ein absolutes Low-Interest-Produkt ist, bereits ein Modeargument. "Da haben wir unsere eigene Feinrippwäsche lächerlich gemacht. Der Typ mit der farbigen Unterw„sche war ein professionelles Model. Die drei Typen ganz rechts auf dem Prospekt übrigens auch. Weil uns dann noch ein Model für das schlechte Beispiel fehlte, nahmen wir einen Mitarbeiter und ersetzten einfach seinen Kopf durch den des anderen." An Gruppenbildern und Einzelporträts, ergänzt der Werber, sei überhaupt ziemlich viel herumgeschnipselt worden.

 
Farbpsychologie und Marketing

Die Farbe Gelb war Bächler bei der Gestaltung der Werbung das Wichtigste überhaupt. In diesem Prospekt, den er im Zweierteam mit dem Fotografen realisierte, ist nicht nur das Dekor der Fotos, sondern das gesamte Layout von der dottergelben Farbe bestimmt. In den 60er-Jahren, mit dem Aufkommen der Marktforschung als wissenschaftlich gestützte Disziplin, gehörte Farbpsychologie zu den Theorien, die neu in die Werbung einflossen. Markus Kutter, bis 1975 Geschäftsführer der Werbeagentur GGK, erklärt das Aufkommen der neuen Theorien so: "Die auch für diese Firmen oft überraschende Expansion der 50er-Jahre musste jetzt abgesichert werden, da wollte man wissen, welche Märkte einem sozusagen ins Haus gelaufen waren."
Neben Farbpsychologie arbeitet Calida noch mit anderen Marketingkonzepten. Die Models liest Otto Bächler zum Beispiel anhand eines dreistufigen Zielgruppen-Konzeptes aus den Setkarten der Agenturen aus.

Künstler und Realisten

Der stärkere Einfluss des Marketing führte in den Werbeagenturen zu einer Ausdifferenzierung der Berufsfelder. Die Spezialisten für Text und Grafik, die sogenannt "Kreativen", grenzen sich nun deutlich ab gegenüber dem neuen Bereich des "Marketings". Fritz Kobi, Werbetexter der ersten Stunde und Mitbegründer der Agentur Contexta, sieht darin einen Einschnitt, der weit über das eigentliche Handwerk hinaus reicht. "Plötzlich waren die Werber Rock n Roller. Nicht mehr die seriös gekleideten Gentlemen. Wenn du an einem Anlass warst, sahst du sofort - aha, das ist ein Werber. Das war das bunteste Völkchen". Dass er trotz langen Haaren und freakigem Outfit von den Auftraggebern ernst genommen wurde, führt Kobi auf seinen Geschäftspartner zurück. "Er war das Gegenteil von mir. Hatte Bürstenschnitt, gewichste Schuhe und trug eine grosse Mappe. Damit symbolisierte er den kaufmännisch-seriösen Teil." Bei Calida wird diese Abspaltung des Marketing erst mit grosser Verzögerung stattfinden. Die Situation mit der internen Werbeabteilung bringt eine im Vergleich zum Agenturbetrieb extreme Nähe von Geschäftsleitung, Marketing und dem "Kreativen Bereich" mit sich. Otto Bächler absolviert berufsbegleitend ein Ökonomiestudium an der HSG St. Gallen, und kümmert sich als Allrounder um den ganzen Kommunikationsbereich. Seine Abteilung umfasst auch 1980 noch nicht mehr als vier Personen.